You Never Lose An Island 

Frank Kroll studierte bei Bernd Konrad, Dave Liebmann und Richie Beirach. Er entwickelte einen eigenen Instrumentalstil, der von verschiedenen Kulturen beeinflusst, ihn zu einem der außergewöhnlichsten Saxofonisten Deutschlands zählen lassen. Als solcher spielt er auch in den Projekten Pire Favres oder Michel Godars mit. 2003 wurde Kroll mit dem Jazzpreis des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet.
Michel Godard gilt als einer der Besten seines Fachs. Er arbeitete mit zahlreichen Jazzer weltweit und komponierte im Auftrag des Radio France und des Südwert Rundfunks.
Herbert Joos hat nicht nur den Jazzpreis des SWF bekommen, er hat sich auch als jahrelanger Solist des „Vienna Art Orchesters“ weltweit einen Namen gemacht. Er ist Mitglied der ständigen Südpool-Besetzung und nahm zahlreiche CDs unter eigenem Namen auf, unter anderem auch für das renommierte Münchener Label ECM, für die er zusammen mit den Stuttgarter Symphoniekern aufnahm. Zur Zeit bei Michel Godards „Cousins Germains“ und beim renommierten „Orchestre National de Jazz“.

Presse:

… Das Quartett präsentierte die Suite „You Never Loose An Island“ mit einer Konzentration und Emphase, die zum musikalischen Höhepunk des Festivals werden sollte.
Eine dreiviertel Stunde dauerte diese Abenteuerreise in die Emotionen, deren Spannbreite die gesamte Palette zwischen Atemgeräuschen, dem perkussiven Klacken der Verschlussklappen von Frank Krolls Bassklarinette bis hin zum furios-entfesseltem Ensemblespiel abdeckte. Bebelaar setzte umsicht melodiöse Kontrapunkte und traktierte andererseits mit purer Körperlichkeit ganz gehörig seinen Flügel. Frank Kroll streute lichte Klezmermomente ein, um dann wieder energisch mit Herbert Joos zu duettieren. Michel Godard sorgte mit stoischer Ausdauer für rhythmische Grundierung dieser kompositorisch höchst anspruchsvollen Abfolge von Intensität. Wer diesen Auftritt im besten Sinne erfahren hatt, wird die „Live“-Einspielung der Suite (dml-records) künftig wohl mit anderen Ohren hören.
Stuttgarter Zeitung, 22.4.2003, „Internationale Theaterhaus Jazztage“


…. Dem fasziniertem Zuhörer bleibt nur eine Frage: Wie kann eine Komposition so weit entfernt von allen Hörgewohnheiten so wohl geordnet kingen? Einmal mehr haben die Stuttgarter Jazzer das Vertrauen reichlich belohnt, das ihnen die Osterjazz-Macher im Theaterhaus entgegenbringen.
Stuttgarter Nachrichten, 22.4.2003 


Reif Für die Insel
Neue CD von Patrick Bebelaar
Was für ein glücklicher Konzertabend in Leonberg muss das im Sommer dieses Jahres gewesen sein! Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, fast fünfundvierzig Minuten lang, derart konzentriert ist die Atmosphäre während der konzertanten Aufführung von Patrick Bebelaars fünfteiliger, eigens für die Besetzung des Abends komponierter Suite „You never lose an Island“, die der Pianist gemeinsam mit Michel Godard (Tuba, Serpent), Frank Kroll (Sopransaxofon, Klarinette, Bassklarinette) und Herbert Joos (Flügelhorn, Trompete, Kornett) aufführte. Ein Pianist und drei Bläser, ohne Rhythmusgruppe – die Basisarbeit teilen sich Bebelaar und der Tubist Godard – atmet diese Komposition eine Intensität, die bis in die feinsten, fast stillen Klangräume subtil ausgelotet wird, die mit den unterschiedlichen Klangfarben „arbeitet“, um dann wieder kräftig unisono mit Motiven orientalischer Folklore zu spielen. Auch Klezmer-Anklänge und Bebelaars Vertrautheit mit der abendländischen Tradition sind nicht zu überhören.
Purer Genuss ist es, wie das Ensemble im ersten Teil der Suite allmählich zueinander findet, wie der Pianist zunächst Impulse der Tuba empfängt und sie wenig später an die Bassklarinette weiterreicht, wie sich die Spannung im Ensemblespiel löst und dann die nächste Stufe der Intensität, geführt vom Flügelhorn, erklimmt. Erst wenn nach einer atemberaubenden Dreiviertelstunde der Applaus losbricht, wird klar, dass man Ohrenzeuge eines Live-Mitschnitts geworden ist. Die CD könnte hier enden, man wäre mit der Qualität des Gebotenen bestens bedient. Der Konzertabend jedoch ging weiter, und die Musiker nutzten die Gunst der Stunde, um weitere Facetten von Bebelaars Temperament und Kompositionstalent vorzustellen.
Auf die Ruhe der Eröffnung folgt mit „Will we meet again“ ein phasenweiser expressiver Sturm, mit „Tango“ ein humorvolles Spiel mit Konventionen und Hörerwartungen und schließlich für die originelle Besetzung arrangierte instrumentale Versionen zweier Volkslieder aus dem 11. Jahrhundert. Das erinnert an Bebelaars Interesse an der Volksmusik, das nichts, rein gar nichts mit ihrer kommerziellen Entwürdigung durch allerlei Musikantenstadl zu tun hat.
Ulrich Kriest, Stuttgarter Zeitung, 18.12.02


Patrick BebelaarYou Never Lose An Island
DML/Fenn Music CD-015
(74 Min., aufgenommen 6/02)
Der Tübinger Pianist Patrick Bebelaar wird nicht müde, uns in immer neuen Besetzungsvarianten mit einer sehr vielseitigen Musik zu überraschen: Nach Projekten mit dem Trio Limes X, im Duo mit Frank Kroll, inmitten indischer Musiker oder zuletzt im Zuge des aufwendig inszenierten Doppelprojekts „Passion / Duscha Moja“ hat er stets sowohl Beweise seiner kompositorischen als auch kommunikativen Talente vorgelegt.
Seine dreiviertelstündige Suite „You Never Lose An Island“ liegt nun als Konzertmitschnitt vor. In Bebelaars Musik dürfen das Saxofon und die Klarinetten Frank Krolls nicht fehlen; das Flügelhorn von Herbert Joos war schon auf „Duscha Moja“ dabei – neu in diesem Kreise ist lediglich der Tubavirtuose Michel Godard. Dies versetzt Bebelaar in die ungewöhnliche Lage, es mit drei Bläsern (die sich jeweils mehrerer Instrumente bedienen) aufnehmen zu müssen; eine Rhythmusgruppe fehlt hingegen.
Folglich kann die Musik nur eine sehr freie sein, da sich die einzelnen Spieler unmöglich auf Rollen festlegen lassen, sie höchstens spielerisch übernehmen, wie man sich plötzlich, wenn keiner zuschaut, eine Karnevalsmaske überstülpt und sie ebenso unvermittelt wieder abstreift. Trotzdem ist es Bebelaar, der Ordnung schafft, Höhepunkte markiert oder Richtungswechsel andeutet, wie es Miles Davis in späteren Jahren auf seinem Keyboard tat.
Eine solches Vorgehen versteht das Musizieren als Prozess des Entstehens und Vergehens, des Einander-Findens und Wieder-Verlierens. Hier wird kein fest gefügtes Werk aufgeführt, kein Ziel verfolgt außer dem Unterwegssein, mit den Umwegen als dem eigentlich Spannenden an der Reise, auf die man sich einlässt oder eben nicht. Zur Entspannung ergänzen vier kürzere Stücke – davon zwei freie Bearbeitungen mittelalterlicher Vorlagen und ein Tango mit Ohrwurmqualitäten – das Programm dieser anspruchsvollen CD.
Mátyás Kiss Rondomagazin, 19.12.2002 


Neue Zeitschrift für Musik
You never lose an island
Dml-records CD-015
Gefesselt vibrierender Tuba-Ton, vorsichtig abstürzende Glissandi, wieder gefesselt Tuba-Ton und vorsichtig abstürzende Glissandi, aus denen sich irgendwann elektrifizierende Melodiemomente herausschälen, die beantwortet werden wollen – so beginnt die Suite „you never lose an island“ von Patrick Bebelaar, die auch der vorliegenden CD ihren Namen gegeben hat.
Dass Bebelaar kein Jazzer ist, der je einem falsch verstandenen Originalitätswahn erliegen konnte, beweis dieser Livemitschnitt eines Konzertes in Leonberg in den fünf Sätzen von „you never lose an island“ , aufgenommen mit Frank Kroll (Sopransaxofon, Baßklarinette, Klarinette), Herbert Joos ( Flügelhorn, Trompet, Cornett) und Michel Godard (Tuba, Serpent) sowie Bebelaar selbst (piano).
Bebelaar kennt das Repertoire der abendländischen Kunstmusik aller Epochen und das der osteuropäischen Volksmusik. Doch Fährten legt er für das Ohr nur aus, um sie gleich zu verwischen, so wie in dem Soloklavierstück „will we meet againe“. Hier koppelt er Zitate von Debussy mit Harmonien von Mussorgsky und Skrjabin in rasender Geschwindigkeit variiert er sie dann nach den „Regeln“ des Free Jazz. Bei „Tango“, einer spannungsvoll atemlosen Ballade über die Idee dieses melancholischen Rhythmus, beschwört er zusammen mit Joos unter dem Deckmantel südamerikanischer Kolorits die noble Tristesse der Novelle Vague. Es ist selten, dass ein Musiker die Illusion der Allusion so natürlich und selbstverständlich beherrscht. Auch die anderen Stücke dieser CD sind davon geprägt – ein Hörgenuss in jeder Hinsicht.
Neue Zeitschrift für Musik, Anette Eckerle


Jazz
Patrick Bebelaar
You Never Loose An Island
dml records (Fenn) CD-015
Der Tübinger Pianist Patrick Bebelaar ist ein Geheimtip für große, ungewöhnliche
Projekte. Seine 44minütige Suite „You Never Lose An Island“ entführt in eine
Welt voll filigraner Begegnungen, dramatischer Wendungen und zarter Harmonie.
Der klar konturierte Klang des Flügels, das Volumen von Michel Godards Tuba und
Serpent, der weiche Atem von Herbert Joos‘ Flügelhorn sowie die Strahlkraft von
Frank Krolls Sopransaxofon und Klarinetten vereinen sich hier und in den übrigen
vier Live-Titeln zu großartigen Tongemälden.
AUDIO 12/2001, Werner Stiefele


Patrick Bebelaar
You Never Loose An Island
dml records (Fenn) CD-015 (74:07)
Patrick Bebelaar kann – wie in Teilen des Solos „We Will Meet Again“ – vehement in die Flügel-Tasten hauen. Doch irgendwann bricht seine zweite Natur hervor: die eines sensiblen Romantikers. Sein feines Gespür für Stimmungen zeigt sich in der weiträumigen, 44minütigen Suite „You Never Loose An Island“, die er im Quartett mit dem Tubisten Michel Godard, dem Flügelhornisten Herbert Joos und dem Saxofonisten und Klarinettisten Frank Kroll verwirklichte. Überraschende Begegnungen, verblüffende Stimmungswechsel, sanfte Harmonie und hintergründiger Humor prägen dieses wunderbare, live mitgeschnittene Stimmungsbild.
STEREOPLAY 12/2002, Hans Sterner


Patrick Bebelaar
You Never Loose An Island
dml records (Fenn) CD-015
In seiner 44minütigen Suite „You Never Loose An Island“ entführen der Pianist Patrick Bebelaar und seine Band in eine Welt voll filigraner Begegnungen, dramatischer Wendungen und zarter Harmonie. Dies entspricht dem Naturell seiner Partner. Michel Godard, einer der wichtigsten Tubisten Europas, sorgt für voluminöse, volle Töne, während der Flügelhornist Herbert Joos unendlich viel strömende Luft in seine Klänge legt. Zwischen ihnen bewegt sich der Sopransaxofonist und Klarinettist Frank Kroll mit strahlender Kraft. Der Bandleader selbst schwelgt manchmal romantisch opulent. Andernorts entfacht er percussive Kraft. Ein klangverliebter Melodiker ist er ohnehin. Dem entsprechend farbenprächtig fallen das Titelstück sowie die drei übrigen Nummern des Konzertmitschnitts aus.
RHEINISCHE POST, ws


Mit Bebelaar auf Entdeckungsreise zu einer fremden Insel
Wer in diesem Konzert Mitte Juni im Spitalhof Leonberg gewesen ist, mag sich noch an die Spannung erinnern. Jene Spannung, die sich aus dem Miteinander so unterschiedlicher Instrumente wie tiefer Tuba und orientalisch schnörkelndem Sopransaxofon, modalem Horn oder jazzigem Piano, aus ungewöhnlichen Solopartien und kontrastreichen Ensembles ergibt. Jetzt ist dieses Konzert, das der baden-württembergische Jazzpreisträger Patrick Bebelaar arrangiert hat, auf CD gebrannt.
“You Never Lose An Island“ lautet der Titel der Scheibe ebenso wie der Titel jener während dieser Leonberg/Belforter Partnerschaftsbegegnung uraufgeführten Suite von Bebelaar, die am Anfang und im Zentrum des SWR-Mitschnitts steht.
Für sein Projekt konnte der Pianist neben den beiden ihm wohl vertrauten Musikern Frank Kroll (Sopransaxofon, Klarinette und Bassklarinette) und Herbert Joos (Flügelhorn, Trompete und Kornett) den Belforter Tubisten Michel Godard gewinnen, der in der Jazzszene als einer der ersten an diesem für den neueren Jazz eher ungewöhnlichen Instrument gilt. Dieser ersten Begegnung übrigens folgte Anfang September eine zweite während des Europäischen Musikfestes in Stuttgart.
Dem Gast aus Frankreich bleibt der Vortritt. Michel Godard lässt zum Auftakt der Suite seine Tuba maunzen und röhren, zetern und tanzen, absacken und forsch voranschreiten. Bis dann vorsichtig Bebelaar tiefe Töne dazwischen tupft und sich immer selbstbewusster einmischt. Allmählich gewinnt die Suite immer mehr an Volumen, arbeitet sich in Steigerungen und Rücknahmen durch ein Klangbild, das auf eine bisweilen raue, aber auch liebliche Landschaft auf dieser Insel schließen lässt. Eine akustische Entdeckungsreise allemal, die jedem der vier Instrumente viel Raum lässt.
Und doch sollte man die vier kurzen Stücke, mit denen die CD ausklingt, nicht unterschlagen. Sie sind nach der gut dreiviertelstündigen Suite, in der moderner Jazz, Folklore vor allem orientalischer Färbung und Neue Musik immer wieder überraschende Partnerschaften eingehen, kleine Leckerbissen. Sie verweisen darauf, aus welchen Töpfen Patrick Bebelaar seine große Komposition „You Never Lose An Island“ speiste.
Nach dem zarten Ausklang der Suite auf Patrick Bebelaars Flügel stellt dieser in einem Solo seine impressionistisch gefärbte Komposition „Will we meet again“ vor. Bebelaar hatte sie im Auftrag der Stadtbücherei Esslingen für die CD „Begegnung“ mit Peter Härtling und Kurt Leonhard komponiert.
Von Bebelaars eigenwilliger Bearbeitung volkstümlicher, auch mittelalterlicher Lieder zeugen die drei übrigen Stücke. Der Tango, gespielt von Klavier, gedämpfter Trompete und Tuba, kommt mit wunderbaren ironischen Effekten daher, sehr jazzig und leichtfüßig. Dem auf Neidhardt von Reuenthal zurückgehenden „Maienlied“ gewinnen die brummige Serpent und die sonore Bassklarinette melancholische Erdigkeit ab. Ein ungewöhnliches Paar spielt da ausgerechnet zu einem Lied auf, das der wieder erwachenden Natur huldigt. Und schließlich mit „Pos pregatz mi“ hat Bebelaar zum schwungvollen „Rausschmeißer“ nochmal das ganze Quartett versammelt. Ein tänzerisches Volkslied, das aber aus Bebelaars Feder durchaus nicht ungeschoren fließt.
Friederike Voß, LKZ


Die Jahrhunderte reichen sich die Hände zum Tanz
LEONBERG – Es gibt eine Szene, die ist unterwegs auf einer Reise durch Raum und Zeit. Dazu gehören auch der Pianist Patrick Bebelaar und der Saxofonist Frank Kroll.
Von Friederike Voß
Auf dieser Reise probieren sie aus, wie sich indische oder arabische Musik etwa, wie sich mittelalterliches und auch späteres Liedgut aus ganz Europa, Folklore, Neue Musik und der Jazz miteinander vertragen. Als Gefährten hatten sie für ihr grandioses Konzert am Dienstag im Spitalhof den Trompeter und Flügelhornisten Herbert Joos und den Belforter Tubisten Michel Godard gesucht – und gefunden.
„You never lose an island“ nennt Patrick Bebelaar seine temperamentvolle Suite, die das Quartett am Dienstag erstmals vorstellte. Die emotionale Komposition durchmisst in rund 50 Minuten Höhen und Tiefen, verwebt zarte Melancholie, flirrende Nervosität und wüste Ausbrüche so, dass ein klingender Bildteppich voller Kontraste entsteht. Eine Insel taucht auf am Horizont, deren Eroberung gar nicht so einfach zu sein scheint. Ringend schleicht sich Godards tiefe Tuba heran, ächzend und immer wieder absackend, um plötzlich Triolen aus dem Blech tanzen zu lassen. Zarte Töne aus Joos‘ Flügelhorn weisen hell in die Ferne.
Der Dialog der Instrumente wird immer lebhafter. Bisweilen mischt sich Krolls Bassklarinette mit Akzenten ins Gespräch. Aus dem Klavier schälen sich ein Rhythmus und eine Melodie heraus, orientalische Girlanden, die doch nie zu verschlingen drohen. Sie bieten dem Zuhörer im Chaos Halt. Und irgendwann im Auf und Ab der dissonanten, fast freejazzigen Passagen, der sanften Harmonien und energischen Akkorde, der vitalen Phrasen steigert sich der Klang zu einer Sinfonie, die im zaghaften Suchen des Saxofons ausläuft.
Das Saxofon klackert und surrt, das Horn seufzt, die schwere Tuba gewinnt ungeheure Leichtigkeit. Und Bebelaar macht den Flügel zum Zupfinstrument, schlägt mit der Faust in die Saiten. Er malt als Komponist mit der Farbpalette der Instrumente, setzt das heisere Grummeln der Tuba gegen das klare Klavier, das flirrende Saxofon über den Donner aus dem Piano. Eine spannungsreiche Komposition, die man mehr als einmal hören muss.
Dass Bebelaar und Kroll dem amerikanischen Jazz ihre eigene, vielleicht europäische Note abgewinnen, zeigten sie mit Thelonious Monks Klassiker „Round midnight“, in den sie lyrisch einsteigen, um dann die Energie frei fließen zu lassen. Die beiden arbeiten seit längerem zusammen, das hört und sieht man.
Bebelaar stellt sich allein als differenzierter Pianist in seiner impressionistischen Komposition „Will we meet again?“ vor. Von subtiler Zurückhaltung bis zur unwirschen Wut steigert sich das Werk, um in erwartungsvoller Spannung offen zu enden. Interessant, berührend und fesselnd.
Dass ironische Überzeichnung aus Pathos erwachsen kann, zeigen Bebelaar, Joos und Godard im „Tango“. Kess kickst die Tuba und treibt mit der Trompete ein exaltiertes Paar-Spiel zum Rhythmus des Pianos.
Und dann geht die Reise noch einmal zurück – ins Mittelalter. Dorthin, wo sich Michel Godard ausgesprochen wohl fühlt, hat er doch das apulische Castel del Monte des Stauferkaisers Friedrich II. mit jener Musik erfüllt, die vor Jahrhunderten dort erklungen sein könnte. Er gewann dafür virtuose Vertreter jener Szene, die diese alten Klänge nicht nur verjazzt, sondern ihre besonderen Qualitäten auch für die aktuelle Musik vorsichtig auslotet. Es macht an diesem Abend in Leonberg kaum Mühe, im Duo mit Frank Kroll oder im Quartett alle nochmal mitzunehmen in diese Zeit, deren musikalische Wiederentdeckung nicht zuletzt den aufgeschlossenen Jazzern zu verdanken ist.
Das Leonberger Konzert wird am 18. Juli um 19.05 Uhr im SWR-Radio auf S 2 Kultur ausgestrahlt.
(Leonberger Kreiszeitung, 14.6.02)


Sturm und Stille

Patrick Bebelaar in der Allensbacher Gnadenkirche
„You never loose an island“ – Dieser poetische Titel lässt nicht vermuten, dass auf dieser Insel auch wahrhaftige Stürme losbrechen können. Dass dies passieren kann, zeigte am letzten Samstag der Pianist Patrick Bebelaar am Flügel zusammen mit seinen Mitmusikern Herbert Joos (Flügelhorn und Trompete), Frank Kroll (Sopransaxophon und Bassklarinette) und Michel Godard (Tuba und Serpent) in der evangelischen Gnadenkirche in Allensbach.
Begonnen wurde die von Patrick Bebelaar komponierte fünfteilige Suite von Michel Godard, der seiner Tuba abwechselnd grollende Digeridoo-Klänge und ein Insekten-Summen entlockte. Der Einsatz Patrick Bebelaars traf die tiefe Tonlage der Tuba und ebenso fügten sich die Bassklarinette und das Flügelhorn in das voll klingende Thema in moll ein. Die Tuba flatterte in höheren Sphären darüber hinweg, als sei sie nie das pupsende Bassinstrument einer Blaskapelle gewesen. Damit zeigte sich schon, dass die vier hochkarätigen Musiker einen ganzen Sack voller Überraschungen für das Publikum bereithielten.
So mutete das zweite Thema der Suite orientalisch-spanisch an, Frank Kroll flog mit seinem Sopransaxophon beschwingt darüber hinweg. Kurz davor hatte er sein Instrument durch kurzes, starkes Anblasen perkussiv eingesetzt. Herbert Joos holte ebenfalls in seinem ersten Solo die ganze Klang- und Geräuschvielfalt aus dem Flügelhorn hervor: rauchige, klagende Töne wechselten ab mit rasend schnellen Läufen und kreischenden Juchzern. Patrick Bebelaar initiierte oder reproduzierte diese Ideen jeweils auf dem Flügel – schmetterlingshafte Zartheit entwickelte sich rasch zu brachialer Gewalt, wo er den Flügel mit Hand- und Fußschlägen traktierte.
Ob virtuose Zwiesprache, Zwischenrufe, das gemeinsame Thema oder die kollektive Steigerung bis zur Schmerzgrenze zu Gehör gebracht wurden, nie war vorauszuahnen, was im nächsten Augenblick passieren würde. Den gemeinsamen Spass an den Einfällen zeigte Herbert Joos durch tänzerische Bewegungen, ausdrucksstarkes Minenspiel und clowneske Andeutungen. Gerade wegen dieser unruhigen Spielart stachen die melodiösen und meditativen Themen um so deutlicher und entspannender hervor.
Den Anfang des zweiten Konzertteils machten Patrick Bebelaar und Frank Kroll mit einer zerpflückten Version von Thelonious Monks „Round Midnight“, bei der sich Frank Kroll aus dem Zuschauerraum in Richtung Bühne bewegte. In der Eigenkomposition „Will We Meet Again?“ malte Patrick Bebelaar eine musikalische Erzählung in die Phantasie der Zuhörer, eine Geschichte aus Wehmut, Streit, Gehetztsein und Ruhe, das in einem offenen Schluß, wie der Titel, fragend endete. Ein erfrischender Tango des ganzen Ensembles kehrte die Stimmung wieder in die humorvolle Richtung, die sich dann über zwei Bearbeitungen von mittelalterlichen Melodien steigerte und in einem musikalischen Gelächter trunken-fulminant in Dur zum Schluss kam. Sabine Schürnbrand vom Kulturbüro Allensbach versprach nicht zuviel, als sie diese Formation als einen Höhepunkt der diesjährigen Reihe „Jazz am See“ bezeichnete. Denn die vier Musiker verließen ein begeistertes Publikum.
Susanne Breyer
(Südkurier 19.6.02)