Bebelaar / Joos / Lenz 
„Der Meister sind sich einig“ So titelte die Rheinpfalz nach einem Konzert dieser Besetzung, die sich konsequent in den Gewässern des europäischen Jazz bewegt und in großen Bögen improvisiert und sich den Kompositionen von Patrick Bebelaar widmet.
Künstlerisch kultivierte Anarchie könnte man das Konzept der drei Musiker nennen, die bereits seit über zwei Jahr in dieser Besetzung zusammen spielen.
Ihre Musik vereint sie zu einem Kollektiv, bei dem mal der eine, mal der andere die Führung übernimmt, um sie dann wieder an den nächsten weiterzugeben. Hemmungslos leben sie den Kampf mit und gegen das Kollektiv, fesseln das Publikum und erlauben niemanden sich dieser Fesseln zu entledigen, bis ihr musikalisches Zwiegespräch zu einem befreiendem Ergebnis führte.
Dabei dienen die Kompositionen Bebelaars mal als feste Vorgabe, mal als Improvisationsanwei-sung, mit offenem Ausgang.
Beim Konzert im Jazzkeller in Esslingen wir auch der Landesjazzpreisträger Frank Kroll mit dabei sein, da Bebelaar und Kroll zusammen in den Townships Südafrikas unterrichten und da dieses Konzert als Benefizkonzert zu Gunsten dieses Projektes stattfinden wird. Zeitgleich wird eine Fotoausstellung von Rüdiger Schestag, der die Musiker bei ihrer dritten Reise in die Townships begleitet hat und so das Projekt dokumentierte, in der Stadtbücherei in Esslingen zu sehen sein.

Herbert Joos hat nicht nur den Jazzpreis des SWF bekommen, er hat sich auch als jahrelanger Solist des „Vienna Art Orchesters“ und des „Orchestre National de Jazz“ weltweit einen Namen gemacht. Er nahm zahlreiche CDs unter eigenem Namen auf, unter anderem auch für das renommierte Jazz-Label ECM, für das er zusammen mit den Stuttgarter Symphoniekern aufnahm. Die Liste der Musiker an deren Seite er zu hören war, ist unendlich lang. 2017 wird Herbert Joos mit dem Ehrenpreis für sein Lebenswerk durch das Land Baden-Württemberg ausgezeichnet.
Günter Lenz wurde bereits zweimal mit dem Hessischen Jazzpreis ausgezeichnet. Mit der eigenen Band „Springtime“ bekam er 1978 den Deutschen Schallplattenpreis. Spielte mit Musikern wie Sonny Rollins, Art Farmer, Dexter Gorden, Lee Konitz, John Surman, Quincy Jones, Manfred Schoof und vielen anderen. Auf Aufnahmen ist er neben Don Menza, Thomas Stanko zu hören und ist weltweit zu den Besten seines Faches zu rechnen.
Patrick Bebelaar zählt zu Deutschlands renommiertesten Pianisten. Im Jahr 2000 wurde er mit dem Jazzpreis Baden-Württemberg ausgezeichnet. Er komponierte im Auftrag der Internationalen Bachakademie (2002 / 2005 / 2008), des Deutschen Literaturarchivs, der Stadt Esslingen u.v.a. Seine CDs wurden international ausgezeichnet (u.a. Preis der Deutschen Schallplattenkritik, Kritikerpreis „Album of the Year“ New-York-City-Jazzrecord). Er arbeitet seit vielen Jahren mit internationalen Kollegen wie Michel Godard, Joe Fonda, Gavino Murgia, Günter „Baby“ Sommer, Carol Rizzo, Pandit Vikash Maharaj u.v.a. Spartenübergreifend trat er mit Schriftstellern wie Peter O. Chotjewitz, Peter Härtling, Adonis, Oskar Pastior, Vincent Klink und Wiglaf Droste auf.

ÜBERSETZUNG:
Die Zusammenarbeit des Pianisten Patrick Bebelaar mit dem Trompettisten und Flügelhornisten Herbert Joos dauert schon fast zwei Jahrzehnte. 2001 spielten sie im Quartett, welches die Platte „You Never Lose An Island“ (2002) hervorgebracht hatte. Das Jahr 2004 hat dann ein grandioses Album gebracht, das die Beiden im Duett aufgenommen haben: „The Beauty of Darkness“. Und im Jahre 2007 konnten wir die Instrumentalisten in zwei verschiedenen Zusammensetzungen auf den nächsten Alben hören („Ein Traum von wunderbaren Leben“ und „Pantheon). Es soll erwähnt werden, dass Herber Joos auch auf dem Album des Pianisten: „Gegenwelten Abgesang“ (2009) erscheint. Die Idee eines Trios ohne Perkussion, dass auf dem Klavierklang, Blasinstrument und Kontrabass basiert, ist 2012 entstanden, als Patrick Bebelaar und Herbert Joss angefangen haben, mit dem Bassisten Joe Fonda zu arbeiten, der früher mit Archie Shepp und Perry Robinson gespielt hatte und in den Jahren 1984-1999 Instrumentalist war im Anthony Braxton Sextet …
Book of Fanny Affairs“. Diesmal hören wir, den sich durch seinen „etwas artigen“ Stil auszeichnenden Veteranen der deutschen Musikszene Günter Lenz, der aus dem legendären „Albert Mangelsdorfs Quintett“ bekannt ist. Das war nicht die erste Zusammenarbeit dieser drei Instrumentalisten; bereits im Jahre 2000 haben wir sie in einer Formation auf der Platte „Passion“ hören können. Damals war das ein Projekt , das in einer Zusammensetzung von sieben Musikern verwirklicht wurde.
„The Book of Family Affairs“ ist eine Platte, die durch ihr intimes Klima, und außergewöhnliche Stimmung verzaubert. Die Konstruktion der einzelnen Titel aus dieser Sammlung überrascht, oft durch eine scheinbare Einfachheit der Übermittlung. Zwischen sehr gekonnt ausgespielten Dissonanzen finden wir eine Mengen an Virtuosität, die die hervorragendsten Virtuosen der gegenwärtigen improvisierten Musik auszeichnet. Acht Kompositionen füllen die Platte, derer Umschlag von den Musikern selbst sehr sorgfältig gestaltet wurde, in Anspielung an ein altes Buch.
Es sind viele Improvisationen in den Themen, die durch den Einsatz der Musikern bezaubern (wie die, die Platte öffnende bewegende Komposition Bebelaars: „Mother and Son“), dann die dynamischen Motive (wie zum Beispiel in „Song for Theleonius“ oder „Tango“) und nicht zuletzt die wunderschönen, rührenden Balladen (z.B. fabelhaftes Ende der Platte „My Reflektions in Your Eyes“ von Babelaar) – jedes mal haben wir mit beispielloser Klasse und perfekter Jazzmaestrie zu tun.
Außer den ausgebauten Partien des jweiligen Instrumentes, in denen man verschmelzen kann, zum Beispiel, wenn man “Book of Family Affairs“ hört, finden wir hier auch eine Menge schöner, pastelfarbener Melodik. Wie zum Beispiel in “Natuschkas Song“, mit schön gedämmter Linie der Trompete auf dem Hintergrund dynamischer Klavierakkorde. Elemente der Folklore und der Klavierklassik verschmelzen in ein bedeutsames, stark anziehendes Gesamtbild.
Einen anderen Charakter hat die fünfminütige Miniatüre von Herbert Joos, die er Theleonius Monk widmete “Song for Thelonius“. Diese basiert auf legerer Improvisationen des Komponisten, auf dem Hintergrund heftiger Klavierpartien Bebelaars und der „Kontrabassgaloppade“ Günter Lenzs, der den Beiden zur Hilfe eilt. Lenz, der viele melodische Strukturen anders wahrnimmt als der früher erwähnte Joe Fonda, begeistert den Hörer mehrmals auf “Book of Family Affairs“. Das geschieht in seiner Komposition“Sharp Structure“, die er solo aufführt.
“Love Song“ wurde dominiert durch die „rauschenden“ Partien der Herbert Joos’s Trompete, die besonders kammerartig vom Klavier und Kontrabas begleitet wird. Das sind, neben dem die Platte eröffnenden “Mother and Son“, die herzergreifendsten und emotionsvollen Minuten des ganzen Albums. Ähnlich wirkt die Lens’s Komposition, die dem im April 2013 verstorbenen Werner Wunderlich gewidmet wurde -, er war ein herausragender Jazzaktivist, Promotor, Rundfunkjournalist und gleichzeitig ein großer Freund der Musiker.
Ein schönes Finale bildet die wunderbare Ballade Patrick Bebelaars: “My Reflection in Your Eyes“. Sie ist tatsächlich eine wahre Perle der ganzen Platte und zweifelsohne eine der schönsten Jazzballaden des Jahres 2013. Es fehlen die Worte…
Die neuste VEröffentlichung der Giganten des Deutschen Jazz begeistert also und lässt es nicht zu, sich von der durch und durch perfekten Platte zu trennen.

RONDO Online-Magazin:

JazzPodium 2/14

… Er kündigte auch das Hauptevent des Abends an. Als hätte der Wind geahnt, dass da drei sturmerprobte Jazzmusiker der Extraklasse auf der Bühne stehen, die ihm zumindest musikalisch den Wind aus den Segeln nehmen können, blies er noch kräftiger. Das jedoch tat auch der Trompeter Herbert Joos und machte klar, wer hier das Zepter in der Hand hielt.
Stakkatoartig fegten seine Klangkaskaden über die Köpfe der Zuschauer hinweg, mit donnernden Akkordfolgen antwortete Patrick Bebelaar am Flügel, während Günter Lenz am Bass das musikalische Gewitter cool und streckenweise mit einem ironischen Augenzwinkern strukturierte.
Wie Jongleure spielten sich die Drei die Bälle zu. Manches an Belebaars Improvisations- und Intonationskunst erinnerte an Keith Jarret und Chick Corea, jedoch mit einer ganz eigenen Charakteristik. Stellenweise improvisierte er bei einem Solo auch mal mit sich selber, als säße er doppelt auf der Bühne. Bis zum zumindest angedeuteten Dixieland reichte die Palette. Begeisternd war auch die fast spitzbübische Ausgelassenheit der Jazzvirtuosen. Die musikalischen Motive und Einfälle verschränkten sich ineinander wie bei einem unaufhörlichen Webvorgang.
„Die Meister sind sich einig“, titelte die Rheinpfalz nach einem Konzert dieses kongenialen Trios, das deutlich machte, dass die Kollektivimprovisation nicht vom Free Jazz in den 1960er Jahren (Coltrane, Coleman, Haden, Sun Ra) erfunden wurde, sondern am Anfang des New Orleans Jazz stand und die Free Jazzmusiker an diese Tradition anknüpften. Bei „Bebelaar, Joos, Lenz“ vereinigen sich einfach fast alle Jazztraditionen mit einer Spielfreude, die einen ganz eigenen Zauber entfachte. Zurufe aus dem Publikum, freudige Gesichter trugen dazu bei, dass am Ende alle mehr als zufrieden waren.

Badische Zeitung, 3.7.2012 Paul Klock


„Eine Sternstunde“
Heilbronner Stimme, 24.4.2012


Wenn drei Instrumente diskutieren
Leonberg. Drei hochkarätige Jazzer improvisieren in der Steinturnhalle. 
 
Der Pianist Patrick Bebelaar, der unter anderem an der Jugendmusikschule Leonberg unterrichtet, der Trompeter Herbert Joos und der Bassist Günter Lenz sind der Einladung von Wolfgang Mueller gefolgt. Der Leonberger, von Haus aus Informatiker, hat das Konzert am Freitagabend in Eigenregie organisiert und sich als Unterstützung noch eine Handvoll weiterer Jazzfreunde mit ins Boot geholt. „Ich mag Jazz und wir hatten mit Bebelaar noch nie ein richtiges Jazzkonzert in Leonberg“, begründete er seine Initiative. „Nur Exotisches, wie mit Vincent Klink zum Beispiel.“ Bebelaar kennt er durch private Begegnungen beim Musizieren.
Die Titel der Stücke sind an diesem Abend Nebensache. Komponisten auch. „Das greift ineinander“, sagt Günter Lenz. „Wir haben Themen, und die werden improvisatorisch verarbeitet.“ Seit mehr als zehn Jahren spielen die drei Musiker zusammen. Sie wurden alle mit mehreren bedeutenden Preisen ausgezeichnet und unterrichten unter anderem an der Stuttgarter Musikschule. Wenn sie auf der Bühne miteinander jazzen, wirkt das so perfekt und homogen, als wären es auskomponierte Stücke, die sie über einen langen Zeitraum hinweg miteinander einstudiert hätten. „Wir sind aufeinander eingespielt“, sagt Bebelaar dazu. Das heißt, dass sie alle ein Gefühl dafür entwickelt haben, wie die musikalischen Partner eine einmal begonnene Improvisation weiterführen möchten. Manchmal entscheiden sie sich mitzuziehen, manchmal setzen sie etwas dagegen. „Das ist dann der Reiz“, erklärt Lenz. „Jeder kann selbstständig bleiben. Aus Reibung entsteht auch Energie.“ Und Bebelaar ergänzt: „Für mich ist Kommunikation die Grundlage der Musik. Es ist eine Diskussion. Das ist so wichtig.“
Es macht Spaß, diese Diskussion zu verfolgen. Im ersten Teil ist es mehr ein Miteinander. Im zweiten Teil beharren die drei mehr auf ihren persönlichen Aussagen. Beides ist schön, beides ist interessant. Das Konzert beginnt verträumt. Wann das Stück beginnt, lässt sich nicht genau sagen. Anfangs klingt es noch, als stimmten die Musiker ihre Instrumente. Unversehens befinden sie sich dann schon mitten im Stück. Die Klänge, die sie ihren Instrumenten entlocken, sind erstaunlich. Bebelaar zupft die Saiten des Flügels, Lenz schafft mit seinem Kontrabass atmosphärische Klänge, und als Joos beginnt, auf seiner gestopften Trompete zu spielen, entsteht der verblüffende Eindruck, es seufze eine menschliche Stimme.
Mit musikalischen Mitteln zeichnen die drei eine Klanglandschaft, deren Charakter immer lauter und leidenschaftlicher wird. Die anfangs diffusen Klangschwaden verdichten sich zu einem regelmäßigen, strukturierenden Puls. Immer wieder wechselt Joos an diesem Abend das Instrument und nimmt statt der Trompete das Flügelhorn. Er pustet durch, und es klingt, als würde das Instrument atmen. Manchmal quietscht es auch wie ein Luftballon, aus dem langsam die Luft entweicht. Ganz erstaunliche Effekte erzielt Joos beim zweiten Teil des Abends, als er mit der Trompete in den geöffneten Flügel hineinbläst. Das Publikum staunt über das deutliche Echo, das herausschallt. Außerdem klingt der Trompetenton noch sehr lange nach und ergibt mit den Klängen, die Lenz und Bebelaar ihren Instrumenten entlocken, weitaus interessantere Effekte, als sie ein Keyboard produzieren könnte.
Klare Bezüge zum Bop werden immer dann deutlich, wenn sich Klavier und Kontrabass zum so genannten Walkin“ Bass vereinen – mal nervös und schnell, manchmal mit großer Gemütsruhe. Geschmeidig platziert Bebelaar seine Riffs, so dass insgesamt ein lyrischer, sanfter und voller Klang entsteht. Die Musiker entfalten klangschöne Balladen, und einmal erwächst aus einem freien Geplänkel fast unmerklich ein immer vehementerer Tangorhythmus.
Zum Schluss hin entsteht eine echte Diskussion zwischen den Instrumenten, die durch Geräuschcollagen fast menschlich wirkt. Vielleicht ist das an diesem Abend ohnehin das Schönste: das Menschliche. Denn obgleich alle drei Meister ihres Fachs sind, machen sie auf der Bühne ihre Späße und witzeln auch mit dem Publikum, das nicht nur von der Musik
Leonberger Kreiszeitung von Gabriele Müller (01.03.2010)


Vom Norden bis nach Durban
Die Herren Joos, Lenz und Bebelaar haben im Stuttgarter Bix musiziert.
Dass Jazz viel mit Emotion und vielleicht noch mehr mit Kommunikation zu tun, konnte man jetzt in aller gebotenen Ruhe im Bix beobachten. Dort zelebrierten Herbert Joss (Trompete, Flügelhorn, Alphorn), Günter Lenz (Bass) und Patrick Bebelaar (Klavier) zunächst die Kunst der Reduktion.
Mit einer Klangästhetik, die mit ihrem Mut zur Stille an den nordischen Jazz des „ECM“-Labels erinnerte, produzierte Joos seine hohen, fragilen Tonfolgen und schrillen Einzeltöne, Bebelaar parierte mitunter durchaus handfest, kommentierte und variierte, unterfütterte den Jazz mit klassischen Akkordwolken, während Lenz sehr warm und lyrisch den Bass dazu singen ließ. Wer nichts zu sagen wusste, hielt sich auch mal raus und hörte nur zu.
Man improvisierte über eigene Kompositionen wie „Raga“, verbeugte sich vor Thelonius Monk – und amüsierte sich einen langen Konzertabend bestens, während man sich Ideen zuwarf. Im zweiten Set wurde es dann rhythmischer, schließlich brachte Bebelaar sein Instrument derart zum Grooven, dass Dollar Brand sein Vergnügen gehabt hätte. Bei alledem ging es zwar sensibel, aufmerksam und konzentriert zu, aber die Musiker verstiegen sich nie zur Innenschau, sondern behielten eine wohltuende Bodenhaftung. Einmal trieb Joos sein Spiel in solche Höhen, dass Bebelaar darauf nur mit dem Rascheln der Notenblätter gegenhalten konnte. Lachend. Das passte gut zum Abend.
Ulrich Kriest, Stuttgarter Zeitung vom 15.1.2010


Hinter der Schönheit lauert der Schrecken
So virtuos und eigenständig kann europäischer Jazz sein:
Patrick Bebelaar, Günter Lenz und Herbert Joos gastierten in Stuttgart
Von Thomas Staiber
Überraschend sanft und entspannt tastet sich Jazzpianist Patrick Bebelaar in „Raga“, eine spanisch angehauchte Eigenkomposition. Warm pulsiert der Kontrabass von Günter Lenz. Doch plötzlich platzt Herbert Joos mit einem Flügelhornschrei hinein. Unbeirrt bleibt der Bass in der Spur, nur das Klavier antwortet mit einer kurzen schrillen Dissonanz, bevor die harmonische Tonfolge wieder aufgenommen wird, als sei nichts geschehen. Als Unruhestifter und Störenfriede wechseln sich der 69-jährige Blechbläser und der 38-jährige Pianist ab, während der 71-jährige Kontrabassist bei dem gemeinsamen Auftritt im Stuttgarter Club Bix vor hundert Besuchern stoisch seine Gefilde beackert. Lenz strahlt Ruhe aus und sorgt für Halt, er ist der Ankermann des Trios.
Langeweile kommt bei diesen drei Herren nicht auf. Da gibt es kein wohliges Eintauchen in schaumige Klangbäder, kein versonnenes Schnipsen. Nein, dieser europäisch geprägte Jazz öffnet sich in viele Richtungen, er changiert zwischen Neoromantik und Noise Art, zwischen Blues und Tango, er spielt mit schroffen Kontrasten, bricht sich prismatisch und leuchtet in immer neuen Klangfarben auf. Hinter der Schönheit lauert gelegentlich der Schrecken, in seiner Leidenschaft steckt Leid. Gemütlichkeit klingt anders. Doch umso süßer wirkt harmonischer Schmelz, wenn er nach scharfen Tonscherben, kantigen Klangsplittern und lavaheißen Eruptionen wieder einmal fließen darf. Nach einer vierjährigen, der Krankheit von Günter Lenz geschuldeten Pause beflügeln sich die drei Musiker wieder erstmals gegenseitig, sie sprühen vor Spielfreude, als müssten sie sich beweisen, dass sie es noch können. Und wie! Gefühl, Intellekt und ein Schuss Anarchie verbindet die drei Männer auf der Bühne. Bebelaars Klavierspiel ist selbst in den schwierigsten Passagen und bei vertrackten Rhythmuswechseln von großer Leichtigkeit. Doch die gerät nicht zu gefälligem Selbstzweck. Dem in Trier geborenen Kusterdinger geht es bei aller Freude an der Musik um künstlerische Wahrhaftigkeit. Wenn er etwa über den Standard „My One And Only Love“ improvisiert, meint er seine russische Frau Natalia, für die er mit „Natuschka“ ein wunderschönes Liebeslied geschrieben hat. Und auch das steckt voller überraschender Akzente und unerwarteter Wendungen.
Herbert Joos, der zurzeit im Stuttgarter Café Heller seine neuen Bilder ausstellt, ist bei einer solch abwechslungsreichen Musik ganz in seinem Element. Er improvisiert mit warmem rundem Flügelhornton etwa zu einem Walser, um im nächsten Moment mit elefantösem Gebläse den Klangraum aufzubrechen. Joos hat sogar ein Alphorn ins gut besuchte Bix mitgebracht und jazzt darauf derart, dass jeden Schweizer Senn, wäre er Ohrenzeuge, glatt der Blitz treffen würde. Das Publikum jedenfalls lässt sich von der guten Laune gern anstecken. Unter dem weit geschwungenen Bogen einer Suite sind die Anforderungen im zweiten Set an die drei Jazzer am höchsten; Bebelaar hatte sich von der Mörike-Novelle „Orplid“ zu dieser Komposition inspirieren lassen.
Auch der „Sitting Küchenbull“ von der Wielandshöhe, Fernsehkoch und Bestsellerautor Vincent Klink applaudiert artig. Mit ihm wird der viel beschäftigte Bebelaar demnächst auf Lesetour gehen, um das neue Buch vorzustellen. Klink wird nicht nur vorlesen, sondern auch – von Bebelaar beflügelt – in sein geliebtes Horn stoßen. Der hat noch anderes im Sinn: Er gibt mit dem Tuba- und Serpentspieler Michel Godard einige Konzerte, dann wird er mit seinem neuen New Yorker Trio auftreten, mit Joos eine Balladen-CD einspielen und gleich zweimal nach Südafrika, in seine „zweite Heimat“, fliegen. Einmal mit renommierten Jazzmusikern wie Bernd Settelmeyer, Mike Rossi und Uli Süße Konzerte bei der WM geben, ein anderes Mal mit Studenten der Musikhochschule Stuttgart, um gemeinsam mit Musikern aus den Townships von Durban und Kapstadt Jazzprojekte zu entwickeln.
Stuttgarter Nachrichten, 15.1.2010


Virtuose Flammen aus poetischen Klangbildern
Drei Meister sind sich einig: Das Patrick Bebelaar Trio spielte in der Manheimer Klapsmühl´ am Rathaus
Und wieder ist eine neue Jazzgröße herangewachsen, denn die Szene blüht und gedeiht unentwegt. Der Stuttgarter Pianist Patrick Bebelaar, Jazzpreisträger 2000 des Landes Baden – Württemberg stellte seine verblüffende Kunst bei der IG Jazz in der Mannheimer Klapsmühl´ am Rathaus vor. Für sein Trio hat er nicht irgendwelche Begleiter hinzugeholt, nein, die Besten sind gerade gut genug: der Trompeter Herbert Joos und der Bassist Günter Lenz. Die beiden Großen hatten ihren Spaß daran, einen Abend lang sich ausschließlich in die Kompositionen Bebelaars zu vertiefen. Atmosphärisch geöffnete Klangbilder von großer Poesie sind die kompositorischen Entwürfe des Pianisten. Eine Poesie, die gleichfalls nicht ausschließt, dass virtuose und dissonante Flammen herausschlagen.
Die Weite seiner Klangwelt machte Bebelaar deutlich in seiner Solo-Nummer „Will We Meet Again“. Modale Ausflüge über eine ostinate Grundlage, solche Modelle sind immer wieder eine gute Ausgangsbasis. Aus profunder Ruhe heraus startet der Pianist seine harmoniegesättigten Klanglandschaften, lässt sie Weite und bald auch Intensität gewinnen. Und was für eine! Kraftvoll eingemeißelte, rasant donnernde Oktavparallelen kommen in große Fahrt, greifen aus zu wuchtigen Katarakten. Bebelaar ist ein starker Improvisator, dessen klassische Schulung ein unüberhörbares Rückgrad bildet. Zu frenetischen Attacken verdichtet er sein Spiel, zu komplex geschachtelten Rhythmen und scharf zugespitzten Harmonien. Das spätromantisch wuchernde Virtuosenvokabular eines Skriabin und Rachmaninow ist in Bebelaars Kunst auf dem Gipfel des entfesselten Rausches noch weitergeführt, verschärft. Dazu passt es auch, wenn er gerne die klanglichen Extreme aufsucht, dunkle schwere Bässe dröhnen und die hohen Diskanttöne krisstalin klirren lässt.
Elementare Kräfte schlummern in der Musik des Stuttgarters, das gilt für das Ruhevolle ebenso wie für das Kraftgeladene.
„Morning Light“ hieß eine weitere Komposition, die den atmosphärischen Gehalt im Titel wie im Klanggebaren trug. Die besondere Qualität des Lichtes am frühen Morgen wurde farbintensiv erkundet, vom gedeckt dämmernden bis zum hell Aufstrahlendem. Schönste Stimmungen entwarf dabei Herbert Joos, der seinem Flügelhorn viel Hall beigab, kraftvoll voluminöse Töne formte, diese auch furios aufbäumte und in reichgezackten Figuren schillern ließ. Und nach den wildesten Eruptionen schwenkte die Musik immer wieder ein in romantische Gefilde. In einem Tango etwa, stolz und schön und kaftvoll, ebenso auch wie Günter Lenz´ erdigem Kontrabass-Solo, geformt. Das Tango-Solo der gestopften trometeaber war keine Nostalgie, sondern frische Leidenschaft pur.
Eine groß angelegte Komposition Bebelaars füllte den zweiten Set, und seine Vorliebe für spanische Modi schlug ornamentreiche Blüten, immer im schönen Wechsel mit lakonisch und knorrig dazwischenfahrendem Blues. Die spanischen Harmonien allerdings waren längst nicht so glatt poliert wie bei Chick Corea, sondern tönten mit ausgesprochenem Gefallen an schabenden Nebentönen und mit dem Mut, das Gefällige zum wilden Exzess zu intensivieren. Darin waren sich drei Meister einig.
(Rainer Köhl, die Rheinpfalz, 26.4.01)


Farbenfrohe Stücke in hoher Spielkultur
Im Jazz ist nichts unmöglich, vor allem keine Instrumentalkonstalation. Mit Klavier, Trompete und Baß wartete jetzt der 30-jährige Trierer Pianist Patrick Bebelaar im Jazzclub auf.
Der Träger des Jazzpreises Baden – Württemberg des vergangenen Jahres verläßt, auch musikalisch, gerne ausgetretene Pfade. Formaler und freier Jazz liegen bei ihm nah beieinander. Als Triopartner konnte er zwei der hervorragendsten deutschen Jazzmusiker gewinnen.
Der Karlsruher Trompeter mit Weltruf, Herbert Joos, ist doppelt so alt wie Bebelaar. Musikalisch klingen beide gleich frisch.Und die Soli des Virtuosen gehen noch immer, vor allem auf dem Flügelhorn, unter die Haut. Der 62-jährige Günter Lenz orientierte sich schon immer am Puls der Zeit,, was man bei seinen zahlreichen eigenen Formationen nachhören kann. Youngster Bebelaar behauptete sich gegenüber den beiden alten Hasen des deutschen Jazz mit seiner ebenfalls ausdrucksstarken und ausgereiften Spielweise.Hörbar wurde die Tatsache, daß das Trio schon seit zwei Jahren miteinander musiziert. Das Programm des gutbesuchten Konzertes bestand aus Stücken der gerade vorgelegten CD „Passion“ und wies all drei als Komponisten aus.
Farbenfrohe Stücke, die immer wieder formal Überraschungen zu bieten hatten. Die hohe Spielkultur, dynamische Kniffe und ein reifer Sinn für Ästhetik machten aus den Stücken dicht verwobene Lyrik. Zwei Zugaben, väterliches Umarmen und Schulterklopfen seitens der „Alten“ – sympathisch.
(Peter Bastian BNN, 17.2.01)


Erst zuhören, dann genießen
Herbert Joos und Günter Lenz sind lange im Geschäft und in der Szene dafür bekannt, dass sie ausgetretene Pfade des Modern-Jazz gerne mal verlassen. Der jüngste im Trio hingegen hat noch nicht allzu tiefe Spuren hinterlassen und weckt die Neugier der Zuhörer. Patrick Bebelaar, Pianist und Baden-Württembergs Jazz-Preiträger des Jahres 2000, tritt als ausgeglichener Typ auf, dem man Braves zutraut.
Dass Bebelaar ein schlichtes Klavier bis an die technischen Grenzen bespielt und manchmal sogar diese noch weiter zu verschieben sucht, merkt man erst bei seinen Solostücken, mit denen er gelegentlich in sein Trioprogramm auflockert. Während Bassist Lenz und Trompeter Joos verschmitzte Blicke austauschen, wühlt Bebelaar in der Tastatur seines Instruments und erzeugt faszinierende Klänge, die die Grenze zum Krach verwischen lassen. Doch auch der Krach ist Teil seines Repertoires und wird als Stilmittel kalkuliert eingesetzt. Genau wie das lieblich-süßliche Zupfen einzelner Klaviersaiten, das an eine japanische Koto-Harfe erinnert und zur Untermalung Joosscher Flügelhornlinien dient.
Wie ein Fels in der Brandung wirkt da Lenz. Der schlacksige Lockenkopf aus Hessen ist der Anker der Formation, wenn die beiden anderen zu ihren Kollektivimprovisationen in unbekannte Gewässer aufbrechen. So spannend und unorthodox die Musik des Trios auch ist, die Zuhörer brauchen offenbar irgendeinen Anhaltspunkt, um so richtig mitzugehen. Die meist mit einer Ostinatolinie in der linken Hand unterlegte Melodie der Rechten und die ständig schwankenden Tempi machen es dem Publikum im halb besetzten Klapsmühl‘-Theater nicht gerade leicht Bebelaars Musik mitzufühlen. So erscheint sein Applaus dann auch eher aus Bewunderung als aus Begeisterung erzeugt.
Erst bei einem fast untypisch klingenden aber umso vehementer intonierten Tango kurz vor der Pause, bricht das Klatschen und Rufen der Zuhörer spontan und euphorisch heraus. Weder als leichte Kost noch als Modernjazz, wie in der Ankündigung ausgedruckt, kommt die Musik von Patrick Bebelaar daher. Sie gleicht eher einem abstrakten Bild, dessen Bedeutung und Charme sich dem Betrachter nicht beim ersten Ansehen offenbart. Doch wenn man sich in Bebelaars Klangbilder eingehört hat, schwankt der Eindruck von Faszination bis hin zum richtigen Genuss.
JAZZ: Preisträger Patrick Bebelaar als Jüngster im Trio


Anspruchsvoll Und Unverkrampft
Patrick Bebelaar hat sich den Tübingern nicht gerade aufgedrängt. Seit ziemlich genau einem Jahr lebt der Jazzpreisträger in der Unistadt, doch aufgetreten ist er in seiner neuen Wahlheimat noch nicht. Erst jetzt gab es die erste Gelegenheit, den 30-jährigen Pianisten live zu erleben. Mit Herbert Joos, sowie Günter Lenz hat er am Montag hochkarätige Verstärkung ins Brio gebracht.
Der gebürtige Trierer huldigt nicht dem Bebop-Schema, sondern schöpft erkennbar aus europäischen Traditionen und seinem klassischen Background – was keineswegs bedeutet, daß alles bis in Detail festgelegt ist. Bebelaar zieht grundsätzlich eine aleatotrische Kompositionweise vor und läßt seinen Mitstreitern viel Spielraum. Da wechseln freie und notierte Passagen, gibt´s reichlich überraschende Wendungen und unerwartete Einsprengsel.
Das Trio, das eben noch verträumt-beseelte Stimmungen heraufbeschwört, wechselt in die freie Improvisation, nähert sich danach auf distanziert-gebrochene Weise der europäischen Salonmusik, swingt und groovt im nächsten Augenblick und erweist wenig später dem Tango seine Reverenz. Erst erklingt „Duscha Moja“, „dann hat der Günter ein Stück erfunden“, wie Bebelaar lächelnd feststellt, drauf folgt „Valse“ und der Sonny-Rollins-Klassiker „St. Thomas“. Zum ersten Sets spielt Bebelaar seinen Tango.
Selbst wer ganz auf swingenden Jazz amerikanischer Prägung eingestellt ist, kann sich der Faszination kaum entziehen. Bebelaar, Joos und Lenz bieten hoch komplexe Musik völlig unverkrampft, nehmen die Sache ernst und haben dennoch ihren Spaß. Da kann´s auch mal passieren, daß Joos mit hupenden Trometentönen dazwischenfährt und Bebelaar vor lauter Lachen ein paar Takte aussetzen muß. Wer miterlebt, wie die drei im Brio miteinander harmonieren, mag es gar nicht glauben, daß sie in den vergangenen zwei Jahren nur ein paar Mal gemeinsam auf der Bühne standen.
Wie die meisten Stücke des Abends, stammt auch „Orplid“, dass den gesamten zweiten Teil des Konzerts ausfüllt, von Bebelaars jüngster CD mit dem Titel „Passion“ und macht deutlich daß der Wahl – Tübinger den Jazzpreis des Landes nicht etwas zufällig erhalten hat. Bebelaar stellt höchste Ansprüche an sich und seine Mitstreiter und entwirft an Anlehnung an Mörikes Novelle „Orplid“ einen musikalischen Mikrokosmos. Lenz, Joos und Bebelaar meistern die anspruchsvolle Aufgabe souverän, die Reaktion des Publikums zeigt, daß „Neue Musik“ durchaus nicht zwangsläufig als schwierig und anstrengend empfunden werden muß.
Reutlinger Zeitung, 6.11.01, Joachim Kreibich


Drei Könner: Bebelaar, Joos, Lenz
Kontrolierte Freiheit
…. Wie spannend, schillernd und abwechslungsreich Gegenwarts-Jazz klingen kann, wenn drei Könner wie der Pianist Patrick Bebelaar, Basist Günter Lenz und Herbert Joos (Trompete) ebenso frei wie bewusst zusammenspielen, hörten am Freitag die ziemlich begeisterten Besucher im bestens gefüllten Kusterdinger Klosterhof.
Zwischen hingehauchter Zartheit und zupackendem Funk-Jazz, fein ziselierter Artistik und kaum gefiltertem Spiel boten Bebelaar (Mitte 30) und die „Oldies“ – Joos und Lenz sind doppelt so alt und zählen seit mehr als drei Jahrzehnten zu den wichtigsten Motoren und Mentoren im deutschen, ja europäischen Jazz – zwei kurzweilige Jazzstunden ohne Leerlauf.
… Zusammen spielten die Drei ein herausragendes Konzert, das mit entsprechend heftigen Applaus belohnt wurde.
21.2.2005 Reutlinger General Anzeiger