Einst lies ein Traum von wunderbarem Leben
(Auftragskomposition des Deutschen Literaturarchivs)
SWR2, JetztMusik
Donnerstag, 15. Oktober 200
Elektronische Nacht, Musikhochschule Stuttgart
Patrick Bebelaar/Ulrich Süße: „Einst ließ ein Traum von wunderbarem Leben“

Die Komposition setzt sich aus fest notierten Teilen und freien Improvisationen zusammen. Der Verlauf spiegelt die psychische Beschaffenheit Mörikes anhand seiner Gedichte: vom Vogelgezwitscher notierenden Romantiker bis hin zum depressiven, in sich versunkenen Schriftsteller. Hierfür nutzt die Komposition verschiedene Stilmittel: Soll die „Schönheit der Natur“ und somit das unbekümmerte zum Ausdruck kommen, werden neben elektronischen Verfremdungen des „Vogelgedichts“ von Mörike auch Sprachfetzen seiner Gedichte in Zulu eingestreut und weiter verfremdet. (Zulu steht für beide Komponisten, die sich in Südafrika kennen lernten und deren Zusammenarbeit dort begann, wo das Leben noch etwas mehr von Freude und Unbekümmertheit durchdrungen ist, als hier in Deutschland üblich. Diese Oberfläche kommt sicherlich mit einem Teil der Persönlichkeit Mörikes überein.) Im weiteren Verlauf der Komposition finden auch immer wieder freie Improvisationen statt, die für das Hinabgehen in die eigene psychische Tiefe stehen, denn musikalisch gibt es wohl kaum ein besseres Äquivalent.
(Ulrich Süße / Patrick Bebelaar) Patrick Bebelaar ist Landesjazzpreisträger Baden-Württembergs und Stipendiat der Kunststiftung Baden-Württemberg. Seine CDs „Raga“ und „Passion“ wurden für den Preis der deutschen Schallplattenkritik nominiert. Im Trio mit dem Trompeter Herbert Joos und dem Bassisten Günter Lenz hat er sich international einen Namen gemacht. Bebelaar arbeitet seit mehren Jahren mit Kindern aus Townships in Südafrika zusammen und gibt Meisterklassen an verschiedenen Hochschulen in Südafrika und Russland. 2002 erregte er mit der Uraufführung seiner Komposition „Point Of View“ zusammen mit den indischen Musikern Pandit Prakash und Pandit Vikash Maharaj sowie Michel Godard beim Europäischen Musikfest Stuttgart Aufsehen. Seine „Passion“ wurde 2003 im Rahmen des Bachfestivals in Leipzig aufgeführt. 2004 erhielt Bebelaar zusammen mit Ulrich Süße einen Kompositionsauftrag des Deutschen Literaturarchivs Marbach zum Thema Mörike. Aktuell arbeitet Bebelaar an einer Auftragskomposition der Internationalen Bachakademie zu Bachs h-Moll Messe.
Ulrich Süße geboren 1944, studierte Komposition bei Karkoschka, Stockhausen und Ligeti. Ab 1969 war er als DAAD-Stipendiat in den USA bei Berio, Wuorinen und Tanenbaum. 1973-76 war er Dozent für Komposition an der University of Natal, Durban (Südafrika), seit 1976 in gleicher Funktion bzw. ab 1980 als Professor an der Musikhochschule Stuttgart. 1998-2002 war er Leiter des Studios für Elektronische und Computermusik. Er gab Gastvorlesungen in Europa, in den USA, auf den Philippinen, in Südafrika und Australien. Er folgte regelmäßig Einladungen zu internationalen Festivals und war Gastdirigent in Tainan, Artist in residence in New York, Washington, Los Angeles und Bourges. Süße arbeitet seit 1968 mit elektroakustischen Mitteln. Er hat ca. 111 Werke komponiert, davon 7 ohne Elektronik und 15 gemeinsam mit anderen Komponisten.

Pressestimmen zu: Einst ließ ein Traum 

(Auftragskomposition Deutsches Literaturarchiv zum Mörike-Gedenkjahr)
IKZ-Bericht download (.jpg 600kB)


… Auch der Jazz entdeckt den Dichter: Patrick Bebelaar hat „Orplid“ und „Ein Traum von wunderbarem Leben“ für Jazz-Ensemble auf Anregung von Möriketexten geschrieben. Es ist ein hochkomplexes und dennoch klanglich sinnliches Werk: Textcollagen, antreibende Grooves und freie Improvisationen verbinden sich zu einem faszinierendem Ganzen.
Opernwelt


… Der im Auftrag des Deutschen Literaturarchivs entstandene „Traum von wunderbarem Leben“ gelangt von elektronisch verfremdeten Naturtönen und Lautmalereien zu Mörikes Lieblingsmusik, dem Ländler, zu rhythmisch nur leicht modifizierten südafrikanischen Klängen. Passagen freier Bläserimprovisationen verstörten durch Disharmonien, eröffneten einen Blick auf das, was Mörike selbst als „sehnsuchtsvolles Grauen“ bezeichnet hat. Durch seine kluge Einleitung hatte Bebelaar das Geschehen den Zuhörern transparent und fesselnd gemacht.
Bleibt sehr zu hoffen, dass noch vielen, insbesondere jüngeren Hören eine Begegnung mit diesem in jeder Hinsicht anregenden Reflexion zweier Künste auf das Leben vergönnt ist.
Stuttgarter Zeitung, 4.6.2004



… Das war ein recht persönliches kleines Wunderwerk an Abwechslungsreichtum und Ausdrucksgewalt, das die beiden Komponisten da offerierten. … konnten sich diesem intellektuellen Zauber nur schwerlich entziehen.
… Ein wahrer Höhepunkt des Mörikejahrs 2004!
Schwäbische Post vom 30.6.2004 über das Open Air Konzert auf Schloss Fachsenfeld