Seit dem Jahr 2000 arbeitet Patrick Bebelaar immer wieder in verschiedenen Townships Südafrika und an den Hochschulen des Landes. Dort unterrichtet er ehrenamtlich Jugendliche und Kinder.
2003 erhielt er für seine Arbeit den „Special Award“ des Königreichs Kwazulu Natal.
2005 wurde er durch die South Afican Association for Jazz Education für sein „Outstanding Service to Jazz Education“ ausgezeichnet.
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Über das Projekt:
von Patrick Bebelaar
In Südafrika erzählt man sich die Geschichte eines kleinen Jungens, der am Strand entlangspaziert. Die Flut hat viele Fische angespült. Der Knabe nimmt einen dieser Fische und wirft ihn zurück ins Meer, um ihn so vor dem drohenden Tod an Land zu bewahren. Er setzt seinen Weg fort, nimmt nach einigen Schritten einen weiteren Fisch und wirft auch diesen ins Meer zurück. Ein alter Mann beobachtet ihn und fragt, warum er dies tue, es könne doch sowieso nicht alle Fische retten, indem er den einen oder anderen ins Wasser zurückwerfe. „Die wenigen machen wohl keinen Unterschied.“ Der Junge geht weiter – schweigend, dann bückt er sich, nimmt einen weiteren Fisch, wirft ihn ins Meer und fragt den Alten: „Macht das keinen Unterschied?“
Ein Land, in dem man scheinbar zu fast jeder Jahreszeit pflanzen oder ernten kann, kennt keine Vorratskammer und entzieht sich damit fast vollkommen unseren Lebensgewohnheiten. Und obwohl trotzdem viele Missionare und Militärs versuchten das Land zu kolonialisieren und zu missionieren: es blieb immer Südafrika – so fern und doch seltsam vertraut. Und nachdem selbst die vielen schrecklichen Jahre der Apartheid , deren Narben noch immer tief ins Gesicht des Landes gebrannt scheinen, dank der klugen Führer, an deren Spitze Nelson Mandela stand, überlebt werden konnten, geht Südafrika langsam seinen friedlichen Weg in eine bessere Zukunft.
Heute steht das Land vor dem Problem, zwischen Moderne und Tradition zu leben.
Voller Freude verkündigen wir die Einschulung der Landbevölkerung ohne darauf zu achten, welche jahrhundertealten Traditionen gerade dadurch zerstört werden, welche Überwindung es den kleinen Jungen kostet in die Schule zu gehen und seine eigentliche Arbeit, das Hüten der Kühe, zu vernachlässigen. Wir befreien die Frau, die nun nicht mehr heiraten muss, um mit einem Mann zusammenleben zu können, bieten aber im Gegenzug nicht unsere Wissen und Medikamente um Aids an, um der Befreiung und der damit verbundenen „partnerschaftlichen Fluktuation“ etwas entgegenzusetzen.
Elf Kühe muss der Bräutigam der Familie der Frau geben, wenn es denn trotzdem zur Heirat kommen soll. Wir sollten uns nicht darüber aufregen, sollten es nicht zu ändern versuchen, solange wir dem Vater keinen Rentenersatz bieten können. Auch sollten wir uns davor bewahren, von „zahlen“ und „kaufen“ zu sprechen, nur weil wir das eigentliche Wort der Zulus nicht zu übersetzen wissen, da unsere Sprache nichts Gleichwertiges kennt: Zu den Berggorillas in Ruanda wurden doch unsere besten Wissenschaftler geschickt, die mit diesen Tieren zu leben und zu überleben versuchten, um zu verstehen wie deren Kultur funktioniert. Warum geben wir uns nicht genauso viel Mühe mit Menschen, mit anderen Völkern und deren Traditionen? Warum geben wir uns hier mit einer einfachen Übersetzung, mit einem „ich war schon mal da – ich weiß wie die leben“ zufrieden?
Nein, die Kolonialisierung geht weiter. Sanft aber beständig. Getreu dem Motto: Bessere Bildung, höherer Lebensstandard und längere Lebenserwartung gleich größeres Bruttosozialprodukt, Essen bei McDonalds und KFC und endlich wieder höhere Absatzraten bei BMW und Porsche. Kriminalität und Verarmung, verursacht durch die immer weiter auseinander klaffende Schere von Reich und Arm, scheinen das Bild nur wenig zu stören. Wir – in der Ferne – geben uns mit dem eigenen Wohlstand zufrieden und erfreuen uns der fremden Kultur, wenn sie ausgestellt in einigen Tänzen für einen Augenblick den flackernden Schein des Lagerfeuers annehmend, uns romantisch das Leben von einst vorzugaukeln versteht. Ein Disneyland für Fernreisende.
Ich habe immer versucht diesen Menschen anders zu begegnen. Nicht als Wissender, nicht als Lehrer. Viel mehr war die Musik unsere gemeinsame Sprache. Und wir lernten ohne große Worte. Allein das Aufeinander-Hören kann schon zu großen Fortschritten (oder das, was wir als solches bezeichnen) führen. Wir haben niemanden in die Schule geschickt. Vielmehr sind wir zu dem Jungen aufs „Feld“ gegangen, haben dort die Kinder und Jugendlichen getroffen, wo sie zuhause sind, wo sie sich sicher und geborgen fühlen. Sie spielten mit uns, imitierten uns und wir spielten mit ihnen und imitierten sie. Vor allem das Letztere scheint mir sehr wichtig zu sein, denn es lässt uns zu Gleichberechtigten werden, die miteinander und voneinander lernen. Und es war dann wohl auch diese Gleichgerechtigkeit, die uns die Ohren und Herzen unserer jungen Zuhörer öffnete. Langsam kamen wir uns näher und der eine oder andere stellte die selben, hohen Ansprüche an Intonation, rhythmischer Genauigkeit und Ausdrucksvielfalt an sich, wie wir sie vormachten. Der eine oder andere nimmt dieses höhere Niveau mit nach Hause, arbeitet weiter und wird auch seinen Erfolg mit dieser Arbeitsweise haben. In diesem Sinne wird er auch später seine Erfahrungen an die Kinder weitergeben und diese an die ihrigen und so weiter und so fort. Diese Wenigen machen den Unterschied, über den ich zu Beginn in der kleinen Geschichte erzählte. Sie verändern ohne ihre Traditionen aufzugeben. Sie entwickeln anstatt zu adaptieren. Sie werden nicht nach unserem System arbeiten, sondern weiterhin wird das Gehör und die orale Weitergabe ein wichtiger Bestand ihrer Musik sein. Gleichzeitig werden sie besser, werden in der alltäglichen Konkurrenzsituation die bessere Ausgangssituation haben, mehr Geld verdienen, zu Konzerten nach „oversees“ eingeladen und so wieder anderen vorleben. Wir kamen als Freunde und wurden auch als solche akzeptiert, was alles andere als üblich ist.
Bei unseren Workshops habe ich junge Menschen weinen sehen, weil sie zum ersten Mal in ihrem Leben ein Konzert sehen durften und von der Situation, dass jemand zu ihnen kommt und für sie spielt, gerührt waren. Zum ersten Mal wurde ihnen klar, was überhaupt alles mit einem Instrument möglich ist. Was sich alles hinter Klappen und Tasten verbirgt. Klänge, die sie nie gehört hatten, da ihnen nicht nur der Kontakt mit Musikern fehlt, es fehlt auch an Hörgewohnheiten und Möglichkeiten. CD, MC, LP sind Fremdworte und ein Radio zu besitzen ist bereits Ausdruck von Wohlstand.
Es kamen Musiker zu mir, die bereits vor vier Jahren einen Workshop besucht haben, und erzählten voller Stolz, wie sie später mit einem Musikstudium begonnen haben und nun kurz vor dem Abschluss stehen. Sie haben einen Hochschulabschluss, eine Lebensperspektive, die ihnen nur durch die Musik ermöglicht wurde und ich freue mich, dass scheinbar das Zusammentreffen mit uns vor vielen Jahren auch einer jener kleinen Steine war, die nun das Fundament dieses jungen Lebens bilden. Die Bestätigung, die sie durch diese Begegnung mit professionellen Musikern erfahren durften und die ihnen Mut und Selbstbewusstein gab, um weiter zu üben und diesen Weg zu beschreiten.
Dass das Königreich Kwazulu-Natal mich überdies auch noch mit einem Preis für eben dieses Engagement auszeichnete, bestärkt mich auch weiterhin nach Sponsoren zu suchen, die es mir ermöglichen diese (auch für mich) fruchtvolle Arbeit fortzusetzen.
In bin mir sicher, dies ist der einzige Weg, einer neuen Kultur zu begegnen: Sich ihr vorurteilsfrei zu stellen und mit der inneren Bereitschaft auf sie einzulassen, von ihr zu lernen. Obwohl ich bereits zum vierten Mal in Südafrika war (unter anderem habe ich ein Gastsemester in Durban verbracht) und Land und Menschen mich scheinbar tief in ihren Bann gezogen haben, kann ich immer wieder Neues entdecken und lernen. Dass ich bei dieser Reise noch einmal besonders viele neue Eindrücke mit nach Hause nehmen durfte, verdanke ich dem Hauptsponsoren Boomerang-Reisen und ihrem Guide, der selbst lange Zeit in den Townships Südafrikas lebte und somit auf besondere Art und Weise es verstand, als Mittler zwischen den Kulturen zu fungieren. Aber auch bei den vielen anderen Sponsoren möchte ich mich für ihre Unterstützung bedanken: Bei Air Namibia, der Tourism Authority Kwazulu-Natal, Yamaha und den Southern Sun Hotels.
Ich hoffe und wünsche mir, dass ich die Arbeit in den Townships fortsetzen kann und dass ich dafür auch in Zukunft offene Herzen und Ohren nicht nur in Südafrika, sondern auch in Deutschland finde.
Patrick Bebelaar