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Manchmal sorgt eine unverhofft auftretende Krankheit für ungeahnte neue Konstellationen und aufregende Konzerterfahrungen. So zuletzt im Lörracher Jazzclub Jazztone, wo das Projekt Bebelaar/Joos/Lenz unverhofft ohne seinen Kontrabassisten Günter Lenz dastand. Zu Patrick Bebelaar und Herbert Joos stieß deshalb ausnahmsweise der Saxofonist und Landesjazzpreisträger Frank Kroll als Dritter im Bunde. Da er ebenfalls gelegentlich mit Bebelaar zusammen auf der Bühne steht und auch immer wieder mit ihm in den Townships Südafrikas unterrichtet, sind ihm dessen außergewöhnliche Kompositionen bekannt – hochanspruchsvoll für die Mitspieler, aber auch mit viel Freiraum für eigene Improvisationen.
Der experimentelle Charakter dieser Zusammensetzung erwies sich als Glücksfall: Mit höchster Aufmerksamkeit aller Beteiligten entwickelte sich das Spiel des Trios zwischen faszinierenden Dialogen in wechselnder Zusammensetzung und gemeinsam ausgebauten musikalischen Grenzgängen, die das leider eher weniger zahlreiche Publikum in Entzücken versetzten. Der Wechsel Krolls zwischen Sopran- und Basssaxofon ermöglichte eine Ausweitung der Klangfarben über das zu erwartende Bebelaar & Joossche-Maß hinaus.
Bebelaar, der sich mit seinem Klavier- Spiel schon von Natur aus selten in festgefügten Bahnen bewegt, schlägt in seinen Improvisationen jeweils neue Türen auf. In höchstem Maße faszinierend ist es, dem kreativen Kopf von oben beim Spielen zuzuschauen, möglich ist das im Jazztone durch die zwei Ebenen des Besucherraums. Immer wieder steht er auf, beugt sich über den offenen Flügel, um mit den bloßen Händen einen härteren, stumpfen Klang zu erzeugen, mit dem er zugleich die Rhythmusfunktion übernimmt – ein Markenzeichen. In „Morning Light“ erzeugt er mit Hilfe eines auf den Saiten hin- und hergeschobenen Glases einen durchdringenden und zugleich erstaunlich poetischen Ton – die ersten durchbrechenden Sonnenstrahlen?
Eine Nummer für sich ist auch Altmeister Herbert Joos. Wahlweise an der Trompete oder dem von ihm bevorzugten Flügelhorn steuert er leise, raue, oft fast nur gehauchte, selten überhörbare Klänge und Geräusche bei, tritt in innige Zwiesprache mit Bebelaars Piano oder mit seinem ungleichen Bruder, Krolls Saxofon und interveniert oft auch mit seiner bloßen Stimme, was der Begegnung eine Art Ursprünglichkeit verleiht wie beim Flamenco.
Bebelaars Kompositionen faszinieren durch ihren Reichtum an Facetten: Die filigrane und einfühlsame Hommage an einen bewunderten Oud-Spieler mit dem Titel „Anouar“ hinterlässt ebenso bleibenden Eindruck wie die mehrdimensionalen Klangkulissen in dem bemerkenswerten Stück „The Truth and other Lies“. Ein wunderbarer Abend für Menschen, die sich gern darauf einlassen, nicht so genau zu wissen, was kommt.
(Beatrice Ehrlich, Die Oberbadische, 13.03.2017)
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