Thüringer Allgemeine über „Bebelaar / Joos / Kroll“
„Krachende Sehnsucht preschte nach vorn“
besser hätte ich es auch nicht sagen können!
Wer wissen will, was da über uns geschrieben steht:
Gelungenes Jazz-Experiment in Bad Lobenstein
08.06.2016
Mit einem jazzigen und experimentierfreudigen Noten-Feuerwerk wurde die Konzertreihe im Neuen Schloss von Bad Lobenstein fortgesetzt. Diese Veranstaltung eignete sich als Lehrbeispiel für musikalisch perfekt umgesetzte kreative Gedankenwelten.
Bad Lobenstein. Im Jazz ist es genauso wie an der Börse: Fast alles ist möglich. Manchmal passiert sogar das Gegenteil. Bestätigt wurde diese Aussage brillant beim jüngsten Schlosskonzert. Da Günter Baby Sommer, ein Übervater des zeitgenössischen Jazz mit ostdeutschen Wurzeln, krankheitsbedingt ausfiel und somit auch sein einzigartiges Schlaginstrumentarium nicht den Weg bis ins thüringische Bad Lobenstein fand, mussten kurzerhand passende Lösungen her. Und diese funktionierten wunderbar.
Als Vertreter brachten die Weitgereisten aus Stuttgart den Saxophonisten Frank Kroll mit. Als Lehrer kümmert er sich in heimatlichen Gefilden um den Nachwuchs seiner Sparte. Als Musiker sorgt er vor allem für nachhallende Musizierfreude. Auf dem Podium im Neuen Schloss fand er schnell seinen Platz in der Mitte, neben ihm Patrick Bebelaar (Flügel) und Herbert Joos (Trompete, Flügelhorn). Gefunden hatte sich ein Trio, welches in dieser Zusammensetzung bislang kaum in Erscheinung trat.
Die ersten offiziellen Töne für das Publikum wirkten recht gediegen, ja sogar beruhigend. Diese Findungsphase unterbrach nur heftiges Donnergrollen am Horizont. Eines stand trotzdem schon nach wenigen Minuten fest: Die Bläserfraktion trieb kräftig das Klavier an. Kurz danach gab es einen Rollentausch und der Pianist übernahm die Regentschaft. Jetzt wirbelten seine Hände regelrecht über die Tasten. Manchmal lagen sie sogar über Kreuz. Es folgten Momente der Besinnung, um danach mit Hilfe von Schnelligkeit beim Spiel die Überholspur zu erreichen.
Mit Witz und Charme nicht gespart
Genau der richtige Zeitpunkt für das Saxophon und das Flügelhorn, um erneut einzugreifen. Schrill, heftig, entzückend wie im Zeitraffer lief das Ganze vor den Augen der Gäste ab. Ruckzuck änderten sich die Tonlagen. Irgendetwas passierte immer. Stillstand und Ideenlosigkeit hatten wirklich keinerlei Chancen. Denn die Vortragenden sparten keineswegs mit Witz und Charme.
Als eine Ballade verkauften sie überzeugend dieses Stück Kunst. Balladesk sollte indes nur die Titelansage werden. Drei Aufführende inszenierten getrennt wohltuende Unruhe und trafen sich wenig später gedanklich vereint in Indien. Ja, wer wollte, erkannte problemlos die eingeschobenen musikalischen Grenzgänge zum Folk.
Einige Stücke hatte Patrick Bebelaar komponiert. Es gab zugleich mehrere Werke von Herbert Joos. Eines wurde als Welturaufführung angekündigt. Mal ging es um die Schönheit mit Hilfe von tiefen Tönen und die Erwartungshaltung unter den Zuhörenden stieg stetig. Brillante Tonfolgen trafen immer wieder auf eine durch nichts aufzuhaltende Spiellaune. Die Sinne der Vortragenden und wohl auch des Publikums befanden sich auf ständiger Wanderschaft. Raum, Zeit, Ort, Gefühl, Lust wer wollte sich bei diesem Zusammenspiel schon noch genau verorten lassen? Offener Szenenapplaus? Auch diesen gab es wiederholt. Schöne Augen, Mutter- und Sohn-Beziehungen oder das Kriegen eines Liebespaares das Trio überraschte fast durchgängig mit filmreifen Szenen und sorgte für ein aus vielen Einzelteilen bestehendes Gesamtkunstwerk. Fast alles Vorgestellte stammte aus eigenen Gedanken- und Gefühlswelten der auftretenden Künstler. Nur ein einziges Mal ertönte ein so genannter internationaler Standard.
Und Jazzer kennen bekanntlich wenn sie einmal in Fahrt gekommen sind keinerlei Verkehrsbeschränkungen. Krachende Sehnsucht preschte somit oft nach vorn, fuhr auf einmal in der ersten Reihe. Mit einem Tango suchten die Künstler ihr Ziel, um dort dem Blues eine der vielen Wurzeln dieses Auftritts zu begegnen.
Für Bad Lobenstein war das Gebotene natürlich eine Bereicherung. Etwas, das dem kur-städtischen Kulturleben sehr gut bekam.
Roland Barwinsky / 08.06.16
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